Bericht:
Züsi Widmer

Fotos:
Züsi Widmer

Das neue Schloss Oberdiessbach

Auf dem Kunstführer steht: „Die Schlösser in Oberdiessbach“. Also nicht nur eines, gleich mehrere an einem Ort? Das weckte die Frage, wie viele Schlösser es wohl im Kanton Bern gibt? Mit den Burgen (bis zurück ins 9. Jh.) sind es an die 180 Bauten und Ruinen.
Das neue Schloss ist aus dem 17. Jh., „ein Initialbau für die barocke Profanarchitektur der tonangebenden Schicht im Ancien Regime“ belehrt der Kunstführer.
Die heutigen Eigentümer, Sigmund und Martine von Wattenwyl, bewohnen jedoch mit den 4 erwachsenen Kindern das Alte Schloss, welches zum ganzen Komplex mit Ökonomie, Kornhaus, Mühle, Scheune und Tortürmen gehört. Es ist besser zu heizen im Winter.
Zum Empfang serviert uns der Hausherr vom schmucken Muschel-Brunnen an diesem noch heissen Sommertag kühles, erfrischendes Wasser der eigenen Quelle. Bevor wir im Schloss Einlass erhalten, promenieren wir durch den Park und den hinteren Teil mit Obstgarten, Gemüse und Blumen
Das neue Schloss präsentiert seine gut erhaltene Schönheit vor allem für Empfänge, Feste, Hochzeiten zu warmen Jahreszeiten. Der offene Landsitz nach französischem Vorbild empfängt die Gäste mit einem schlichten, aber sehr gepflegten, repräsentativen Garten. Sigmund v. Wattenwil arbeitet selber mit dem Gärtner und den Söhnen stunden- ja tagelang darin. Er liebt diese Arbeit, überhaupt das Handwerkliche und das Draussensein. Mit viel Enthusiasmus schildert er uns seine vielen Überlegungen, wie er dem Bau gerecht wird mit Erneuerungen, Renovationen, aber auch Wiederherstellung von Altem, das übermalen oder sonst wie falsch „verbessert“ wurde.
Der Erdgeschossaal mit Kassettendiele, Tapisserien, Wandspiegeln in Goldrahmen; Funk Kommoden und Cheminée samt dem dazugehörigen Mobiliar in vieux-rose dient für Anlässe, lieber von Gästen gesetzteren Alters. (Sorgfalt!). Der Bauherr Albrecht v. Wattenwil (1617-71) betrachtet uns vom Ölgemälde mit markanter Nase und prunker Kleidung. Die Ess-Stube ist weniger beladen, in diskreten Grautönen und blauen Polstern und Vorhängen gehalten, die mit dem wundervollen, übermannsgrossen Turmofen in weiss-blau abgestimmt sind. Durch die monumentale, fantastische Treppenanlage gelangen wir in den oberen Stock in einen Saal, der mit seltenen Goldledertapeten aus Flandern mit Blumen– und Fruchtornamenten ausgekleidet ist.
Zum Schluss stehen wir im Esszimmer neben der Küche, in die man durch den ehemaligen Konfiturenschrank gelangt. Das Guggeli zur Küche war umständlich, unpraktisch und viel zu klein. Der Tisch ist gedeckt, das Silberbesteck mit Berner Filetmuster glänzt, wie meines schon lange nie mehr geglänzt hat. Ein durch und durch herrschaftliches, gepflegtes Schloss, ehrwürdig, mit Stil, vergangene Zeiten repräsentierend. Vielen Dank Yolande, dass Du uns diese Tore geöffnet hast.

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